Auf ein Wort oder zwei ...
Fragen an Heiner Labonde, Verleger
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Ein Vorweg-Wort:
„Sie müssen die Welt nicht immer neu erfinden“, lautete ein Erfahrungssatz eines
der journalistisch versierten Lehrmeister des Verfassers. Und so sind auch jene
literarischen Fragebögen, die Einblicke in Leben und Gedanken von Prominenten,
Künstlern, Personen des öffentlichen Lebens erlauben, keine Neuheit –
und doch so beliebt und spannend, dass auch der Heiner Labonde Verlag Ihnen/Euch
ab sofort und im monatlichen Wechsel ein Frage-Antwort-Spiel anbietet, das ein vielleicht neues,
ergänzendes Licht auf Autorinnen und Autoren wirft, auf künstlerisch tätige Menschen,
mit denen der Verlag zusammenarbeitet. Soll dann doch der Verleger erst mal schön selber
auf seine Fragen antworten, meint Heiner Labonde, damit der Beginn einen Anfang hat …
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Der gebürtige und bekennende Ostfriese ist von Haus aus Diplom-Psychologe
und war nach dem Studium zunächst im Umfeld der politischen Bildung
und in der Politikberatung aktiv, dabei auch schon immer journalistisch
und schreibend tätig. Später kamen die Ausbildung zum Marketing- und
Vertriebsassistenten für Verlage und die Arbeit in einem auf Nordeuropa
spezialisierten Verlag. Ende 2003 dann der Sprung in die Selbstständigkeit
mit einem eigenen kleinen Verlag. Heiner Labonde publiziert seither Bücher,
Belletristik wie Sachtitel, rund um den Schwerpunkt Finnland, verlegt aber
auch Titel deutschsprachiger Autorinnen und Literaten. Projektbezogen ist
er zudem tätig als Psychologe und Dozent bei Bildungsmaßnahmen für
vornehmlich Jugendliche und Flüchtlinge/Migranten. Mit seiner
Frau Jessika Kuehn-Velten zusammen ist er Autor einer ganzen Reihe von
Reiseführern zum Thema Finnland, die in spezialisierten Fremdverlagen
erscheinen.
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Lesen ist für mich …
… ein Abtauchen in eine zusätzliche Realitätsebene, auf der Figuren und Ereignisse einen gewissen Grad
an Eigenständigkeit und Lebendigkeit beanspruchen, sich offen oder subversiv in meine Gedankenabläufe
einmischen, nach dem Auftauchen bei mir entsprechend nachhallen.
Welche Lektüre liegt im Moment auf Deinem Nachttisch?
Ich lese gerne mehrere unterschiedliche Sachen gleichzeitig. Derzeit ein Roman von Peter Kurzeck:
Übers Eis. Ganz eigene Sprache, Sätze, berührend schön und gültig, ein ganzer Kosmos in kleinen
Formulierungen. Dann die Bibel, im Moment das fünfte Buch der Psalmen. Der Versuch, immer neu
aus wechselnden Blickwinkeln biblische Texte zu erfassen in ihrem Zeitbezug und ihrer Wahrheit und
Auslegung für die Jetztzeit ist eine Lebensaufgabe. Von Reiner Kunze ein Gedichtband aus den 1980ern:
eines jeden einziges leben. Welch eine stille und doch gewaltige Stimme der Menschlichkeit …
Schließlich das Jahrbuch für finnisch-deutsche Literaturbeziehungen 2016. Und dazu periodisch anfallende
Lektüre und Zeitschriften wie das Ostfriesland Magazin.
Dein Lieblingsleseplatz …
Gibt es so nicht. Kann mein Bett oder ein bequemer Sessel sein. Bei Pflichtlektüre hilft manchmal ein
harter Stuhl mit gerader Lehne. Gern im Sommer auf dem Balkon mit Zeit, also Muße plus Getränk.
Ideal natürlich am finnischen See am Abend auf dem Bootssteg, mit Mückenverbot: Lesen und Hinausschauen
auf den See im Wechsel.
Hast Du einen oder mehrere Lieblingsschriftsteller/innen?
Mal abgesehen von Neuentdeckungen sind Konstanten über die Zeit seit der Jugend: Carson McCullers,
Siegfried Lenz, Peter Handke. Gefestigte literarische Zuneigung gilt auch etwa Milan Kundera, Gottfried Keller und und …
Was war Dein erstes nachhaltiges Leseerlebnis?
Schwer zu sagen: In der Erinnerung sind ein Bilderbüchlein über einen verwaisten Hasen auf einem Hühnerhof
(Titel vergessen) und „Die Kinder von Bullerbü“. Früh schon waren kindgerechte Märchenbücher beliebt
(gerne Grimm, ein Band von Bechstein war mir nicht ganz geheuer). Entwicklungsschritte weiter wurde der
Bücherfundus des Vaters interessant. Dann das eigenständige Entdecken der gedruckten Welt mit allen Irrungen
und Wirrungen des zu frühen Lesens bis hin zum Verstehen.
Was rotiert derzeit auf Deinem Plattenteller?
In der Tat ist der Plattenspieler im Moment demontiert. Habe aber einen Fundus von einigen Hundert
Vinylscheiben, zugegeben meist 1970er und 80er-LPs. Ich bin musikalisch schwer in den 70ern sozialisiert.
Entsprechend höre ich viel „Retro“, auch was CDs betrifft. An neueren Sachen gern Jazziges und quer
durchs Beet Spannendes aus der quirligen Musikszene Finnlands, von Folk bis Metal.
Gibt es musikalische Favoriten?
Neil Young und ich begleiten uns über die Jahrzehnte (seit ich auf einer Konfirmandenfreizeit das erste Mal
„Heart of Gold“ hörte) durch alle Höhen und Tiefen. Auf der anderen Seite fühle ich mich seit der Zivildienstzeit
dem Sänger Klaus Hoffmann sehr verbunden. Und nicht zu vergessen: die britische Sängerin Tracy Thorn.
Steely Dan sind Extraklasse, und ich bin ein Fan der Allman Brothers (überhaupt ist Südstaatenrock eine
feine Sache für mich). Jerry Jeff Walker ist ein Langzeit-Favorit. Zwei Tipps für Töne aus Finnland: Pauliina Lerche
im Bereich Folk (tolle Sängerin und Instrumentalistin auf Akkordeon und Kantele), und die Von Hertzen Brothers:
komplexer, harter, facettenreicher, dabei melodiöser Prog-Rock.
Welche natürliche Gabe würdest Du gerne besitzen?
Ich lese ebenso gerne wie furchtbar langsam: etwas mehr Tempo bitte … Und ich liebe Musik, aber spiele
weder ein Instrument, noch kann ich wirklich Noten lesen: Im Handumdrehen Klavier oder Bassgitarre vielleicht …
Was schätzen andere an Dir?
Ich vermute: Meine ruhige Art und meine Fähigkeit, anderen aufmerksam zuzuhören.
Was hast Du im Gegenzug an Dir selbst zu bemängeln?
Ich besitze ein eher gering ausgeprägtes Maß an Selbsteinschätzung im Hinblick auf die Wirkung auf
andere Personen. Dazu passt das Gefühl, manchmal Dinge, die mir wichtig sind und von denen ich überzeugt bin,
argumentativ nicht verständlich genug rüber bringen zu können.
Was inspiriert und beflügelt Dich?
Manchmal unerwartet Gelingendes und unerwartetes Lob, oft kleine Dinge und Beobachtungen.
Das kann ein quirliger Spatz sein oder ein sonniger Morgen mit frischer Luft zum Durchatmen.
Und die Zusammenarbeit mit anderen, wenn Puzzleteile sich zusammenfügen und Ideen sprudeln,
wenn’s eins ins andere greift …
Was kann Dich nerven?
Dauernölende Zeitgenossen, die ihre subjektive Befindlichkeit mit berechtigter Kritik verwechseln.
Ich kann mit linken und rechten Wutbürgern nichts anfangen, wenn sich das Ganze in einer pauschalen
Rundumschlag-Antihaltung erschöpft. Anti-Establishment ist auch nur eine leere Worthülse.
Ein wenig Differenzierung darf schon sein, wenn ein Missstand abgestellt und Positiveres dagegen
gesetzt werden soll. Völlig überbewertet finde ich …
Nervige, gefühlt inzwischen Dutzende Verkaufskanäle im Fernsehen. Aber wohl erfolgreich …
Was müsste dringend erfunden werden?
Das sich selbst aufräumende Verlagsbüro: Jedes Papier weiß sofort, in welchen Ordner es muss …
Wohin möchtest Du gerne einmal reisen?
So viele schöne, spannende Ziele … Auf der Agenda derzeit weit oben: Island und Grönland.
So viel elementare Natur und Kraft. Und dann gerne irgendwann nach Buenos Aires. Jede Dokumentation,
die ich über diese Stadt sehe, macht sie faszinierender …
Wo warst Du schon und möchtest dort noch einmal hin?
Immer wieder Finnland: Ob Helsinki, Saimaa-Seengebiet oder das Schärenparadies.
Und natürlich nach Ostfriesland: war, ist und bleibt in Herz und Hirn Heimat!
Was kann die Welt ein wenig menschlicher machen?
Jeder bemüht sich an seinem Platz und an seinem Ort um ein ganz klein wenig mehr Freundlichkeit,
Hilfsbereitschaft, ein Lächeln mehr. Ich bin überzeugt, dass viele kleine Schritte wirklich
Großes bewirken können. Und manchmal muss man eben auch vernehmlich Rabatz machen!
So ganz ohne Engagement läuft Demokratie nicht.
Das gibt Dir Kraft und Hoffnung …
Dass so viele Menschen sich Tag für Tag ehrenamtlich engagieren. Auch wenn es viel mehr sein könnten …
Und grundsätzlich: Dass in der Tat Jesus Christus Gottes Sohn ist. Den Weg, wie wir miteinander umgehen sollten,
hat er jedenfalls gezeigt ...